GALERIE KAYSSER :: ANDREA KAYSSER ::

"Holz+Bild"
Holzskulpturen von Andreas Kuhnlein, Unterwössen und Gemälde von Rasso Hecker, München

Ausstellung bis So. 10. Mai 2015

 

 

 

 

Paragone in Ruhpolding

Ob in der Wiedergabe der Wirklichkeit dem Maler oder dem Bildhauer die Krone gebühre, das ist eine seit den Zeiten der Antike mal hitzig, mal gelassen diskutierte Streitfrage. Seit der italienischen Renaissance ist das Phänomen mit einem Begriff belegt – dem Paragone. Eine Neuauflage erlebt der Paragone – übersetzen würde man es mit Vergleich oder Gegenüberstellung – in einer Ausstellung der Galerie Kaysser in Ruhpolding. Beteiligt sind daran der in Unterwössen im Chiemgau beheimatete Bildhauer Andreas Kuhnlein und der Münchner Maler Rasso Hecker.

Andreas Kuhnlein

International bekannt wurde Andreas Kuhnlein, Jahrgang 1953, durch seine von einem unverkennbaren Personalstil geprägten Holzskulpturen. Als Rohmaterial für seine Figuren nimmt der Künstler nur das Holz durch Naturereignisse umgestürzter Bäume, kein lebender Baum wird also für ihn umgesägt. In einem direkten Sinn belebt der Bildhauer ihm gebrachtes oder von ihm gefundenes „totes“ Holz, indem er es durch seine Arbeit in Kunstwerke verwandelt. Das Hauptwerkzeug für die Bearbeitung der Holzblöcke ist dabei die Motorsäge, deren Spuren an den Skulpturen stets mehr oder minder deutlich als Eingriffe, Verwundungen oder Verletzungen wahrnehmbar sind. Thematisch richtet sich das Werk Andreas Kuhnleins an der menschlichen Figur aus. Existenzielle Befindlichkeiten des Menschen finden sich in Kuhnleins expressionistisch anmutenden Holzfiguren aufgehoben. Oftmals deuten auch die Werktitel, etwa „In Erwartung“, „Rückblick“ oder „Auszeit“, diesen Bezug auf die Bedingungen des Menschlichen an. Die Bewegung verläuft hier von der konkreten Holzfigur zur allgemeineren, durchaus auch abstrakteren Bedeutung und zum Wiedererkennen in der jeweils eigenen persönlichen Situation. Andreas Kuhnleins Holzfiguren beziehen immer die Betrachtenden, vor ihnen Stehenden mit ein.

Rasso Hecker

Die Gemälde Rasso Heckers, geboren 1966 in München, scheinen zunächst rein abstrakte Bildwerke zu sein. Niemandem ist verwehrt, sie als Verteilung von Farbe auf einer Fläche zu sehen, sich am Duktus des Farbauftrags und seiner Struktur allein zu erfreuen. Die Titel, die der Künstler seinen Werken gibt, die er gerne auch in Serien und Reihen zusammenfasst, zeigen dann aber auf, dass der Maler den Diskurs mit der Literatur sucht, also in einen Paragone – eine Vergleichung, einen Austausch – mit ihr eintritt. Nach einem Großprojekt, in dem sich der Maler mit Dantes „Göttlicher Komödie“ auseinandersetzte, richtet er jetzt seine Aufmerksamkeit auf eine Figur aus Henry Millers Roman „Das Lächeln am Fuß der Leiter“ (1948). An der Romanfigur des Clowns interessieren ihn die unterschiedlichen Stadien der Suche nach sich selbst. Diese Suche mit den Mitteln von Farbe und Pinsel auf der Leinwand sichtbar werden zu lassen stellt sich Rasso Hecker als Aufgabe. Andere Bilder, die in der Galerieausstellung zu sehen sind, gehören einer weiteren neuen Werkreihe an, in der sich der Künstler mit dem Problem beschäftigt, wie sich auf der Leinwand der Himmel und die Wolken festhalten lassen. Kann die unendlich erscheinende Tiefe und Weite des Himmels mit Farbe wiedergegeben werden? Wie vermag der Maler Wolken, gar Nebel und Dunst, die keinerlei feste Gestalt und zeitlich kalkulierbare Dauer haben, auf die Leinwand zu bringen? Zwischen abstrakt und konkret muss der Maler hier einen schwer zu findenden Mittelweg suchen. Zugleich vermischen sich bei dieser Fragestellung physische und metaphysische Aspekte, Beschreibung mit Bewunderung, ja mit Anbetung. Der Himmel ist nicht nur Natur, sondern er hat auch eine religiöse Bedeutung, die in poetischer Form in der Apokalypse metaphorisiert ist: „Im Himmel war eine Tür aufgetan. ... Komm herauf und ich werde dir zeigen, was künftig geschehen muss“ (Offenbarung 4,1). Kann das alles auf einem Bild aufscheinen?

Rüdiger Heise

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